IAKH-Aussteller   |  IAKH-Sonderveranstaltungen   |  IAKH-Jahresschrift / Book Art Catalogue  |  Startseite




2006
Die Sonderveranstaltungen

 
Die Entdeckung des Lesens. Shakespeare-Sonette
Eine bibliophile Edition mit neuen Nachdichtungen
von Jan Weinert (Berlin) und Radierungen von Peter Harnisch (Dresden) Abbildungen
18.3., 15 Uhr: Lesung und Buchpräsentation mit dem Dichter Jan Weinert und den Graphiker Peter Harnisch sowie Konzert mit den Vertonungen des Komponisten Philipp Riedel (München)

Jan Weinert: Geleitwort

Mit Shakespeares Beistand ist mir eine Übertragung seiner Sonette gelungen, die einige Vorzüge gegenüber den bisherigen Nachdichtungen besitzt: Bei einer wörtlichen Nähe, die Georges nichts nachstehen wollte, manchmal sogar näher ist, habe ich männliche und weibliche Reime nur so verwandt, wie sie Shakespeare gebraucht hat. Mit Ausnahme zweier Sonette, die durchweg weiblich gereimt sind, hat Shakespeare sonst fast nur männliche Reime benutzt. Hält man die Reime männlich, hebt sich am Zeilenende der Ton, entsteht ein Dur. Und man kann ohne rhythmischen Bruch in die nächste Zeile weiterlesen. Ist der Reim weiblich, entsteht, wenn man über die Zeile hinausliest, eine zweifache Senkung, eine Verzögerung und dadurch ein Moll-Klang. Welch ein Unterschied im Klanggebäude! Die ganze Stimmung des Gedichts ist dann eine andere. Darum hat sich außer George, dem es auch nicht immer gelang, keiner der mir bekannten Nachdichter auch nur im mindesten gekümmert. Wenn man die englischen Strophen laut liest, spürt man, wie sehr bei Shakespeare die Sprache Musik ist, ein Klang gibt dem andern die Hand. So habe ich versucht, wie Shakespeare mit Assonanzen und Alliterationen spielend, die deutsche Sprache zu Musik zu schmelzen, so daß jedes Sonett ein in sich schwingendes Gebilde ist. Da ich selbst seit einem Vierteljahrhundert als Dichter täglich mit Anklängen, Reimen, Halbreimen, Stabreimen spiele und arbeite und auch schon viele eigene Sonette geschrieben habe, fiel mir dies meistens leicht, und ich war froh bei der Arbeit. Hilfreich war auch, daß ich, durch einige Jahre im Ausland, Englisch wie eine zweite Muttersprache verstehe.

Weit entfernt, wie Sie sehen werden, George nachahmen zu wollen, ist mir doch seine Nachdichtung von allen mir bekannten die herausragende, treuste und so die größte Herausforderung. Dennoch erscheint meinem Geschmack Georges Stil etwas zu sperrig und geziert. Und ich wollte Shakespeares liedhaft beschwörendes Sprechen fließender und treibender ins Deutsche bringen. Auch ist mir Georges Haltung oft zu ernst, zu bitter, zu verächtlich, was natürlich auch in den Nachdichtungen durchtönt. Shakespeare, dem das Leben eine große Bühne ist, erscheint mir vielmehr selbstironisch, melancholisch, im Pathos spielerisch, närrisch-weise; eine Welthaltung, die mir näher ist und wohl eher im Ton meiner Nachdichtungen klingt.

Ich hoffe, in dem unmöglichen Versuch, die Sonette zu übersetzen, Shakespeare etwas näher zu kommen, als bisher geschehn.


weitere Sonderveranstaltungen auf der 15. IAKH


Die IAKH-Editionen seit 1992 / Jahresschriften für Künstlerbücher und Handpressendrucke

art culinaire

zurück zur Startseite